Wo bin ich, was ist aus mir geworden?
Viele lesen in meinem Blog und sehen sich die Bilder an, habe ich erfahren. Danke. Ich habe deshalb einige Berichte noch ergaenzt und Bilder hinzugefuegt, beim Wetterbericht zum Beispiel.

Inzwischen bin in Sahagún. Das ist irgendwo zwischen Burgos und Leon. Eigentlich schon ganz schoen weit. Die Berge sind laengst hinter mir, bis auf diesen Ausreisser, der harmlos aussieht, es aber in sich hat. Den haette ich dreimal ueberqueren muessen, um den verlorenen Ausweis wieder zu bekommen, wenn wir nicht eine andere Moeglichkeit gefunden haetten:



Es hat sich jetzt eine weite Ebene ausgebreitet, ungefaehr 900m ueber dem Meeresspiegel.



Die Wege sind eben und angenehm zu gehen (bis auf die ganzen Steine, die immer und ewig hier rumliegen werden), manchmal endlos, und ich freue mich ueber jeden Kirchturm.

Die Knochen sind heilgeblieben und die anfaenglich bedrohlich erscheinenden Auas sind fast weg. Abends spuere ich manchmal alle Muskeln, Sehnen und Knochen, morgens gehts wieder gut. Bis auf heutemorgen, ich musste die Nacht auf dem nackten Fussboden schlafen.



Das war hart. War nichts anderes da. Das Lager zwischen den (in der Nacht belegten) Matrazen war meins. Immerhin war die gefundene eine nagelneue, nirgends verzeichnete Herberge, 1 Monat alt, von irgendeiner italienischen Bruderschaft errichtet, gefuehrt von Bruno, vorher Schiffskoch.



Zuvor waren 3 andere auf dem Weg voellig ueberfuellt. Bin dann 35 km gegangen. Fast haette ich draussen geschlafen, bis Jakob kam (so habe ich ihn spaeter genannt).



Wer das war? Diese Geschichte kann jeder hoeren, der mich danach fragt ...

Dafuer habe ich heute schon mittags Schluss gemacht und eine richtig gute groessere, mehr oder weniger private Herberge gefunden, an der viele andere wie ich auch zuerst vorbei gegangen sind, weil sie zu nobel aussah,





dabei kostet sie auch nur 7€ fuers Bett. Es gibt wiegesagt keinen Standard.

Ja, da bin ich jetzt. Es geht mir gut. Nur wenige Momente gab es mit Zweifeln oder Einsamkeit oder Traurigkeit. Aber die Zeit hier auf dem Weg hinterlaesst ihre Spuren und veraendert wohl die Menschen, die ihn gehen. Manche ein bischen, langsam, kaum bemerkbar, manche ganz heftig. Der Camino ist ein Weg, der lebt. Nicht, weil die Menschen das hoffen oder alles Erlebte beschoenigen oder herbei sehnen, oder weil sie was dazu dichten - das machen manche natuerlich auch ganz schoen - nein, er ist ganz einfach da und selbst das Erlebnis. Ich bin wirklich gespannt, wie er fuer mich endet. Aber - so wird mir immer wieder versprochen, von denen, die ihn selbst schon mal gegangen sind, von den Hospitaleros und Hospitaleras, von Menschen, die hier wohnen und von Pilgern, die ihn immer wieder gehen - er hoert nie auf. Er bleibt.

Und hier sitze ich nun gerade. Mit ein bischen Phantasie koennt ihr mich auf dem linken Platz sehen ... Eine Internetgelegenheit findet sich schon mal.



Inzwischen auch haeufiger, die Pilger werden mehr. Manchmal vermisse ich die Einsamkeit der ersten Tage, in denen ich nur wenige getroffen haben. So zum Beispiel Christine aus Frankreich, die mich allerdings nie verlassen hat. Wir haben uns immer und immer wieder zufaellig getroffen.



Sie geht jetzt vielleicht aus dem genannten Grund einen anderen, einsameren Weg nach Norden ueber die Berge und am Meer entlang. Daran hab ich selbst schon vor drei Tagen gedacht, aber ich habe kein Buch mit Angaben ueber Strecke und Herbergen, die dort weit auseinander liegen. Es wird schon morgen auf meiner Strecke eine besondere Sache. Ich lese mal aus meinem Buch vor:

"Landschaftlich ist diese wenig frequentierte und einsame Variante ein ganz spezielles Erlebnis. Anfangs gleicht sie locker bewachsenen afrikanischen Steppen, auf der ausgedehnten Hochebene hinter Calzadilla de los Hermanillos sind nur noch in der Ferne Bergketten zu erkennen. Teilweise sind keine Spuren menschlicher Besiedlung mehr zu sehen. Man fuehlt sich gaenzlich allein und ab einem gewissen Punkt mag auch der Glaube fehlen, ueberhaupt noch auf eine Ortschaft zu stossen."

Diese Beschreibung ist nicht aus dem 18. Jahrhundert sondern aus 2009. Na, dann man los, also ich freu mich drauf.

So, zu Christine und all den anderen Pilgern, die ich immer wieder getroffen habe oder auch nicht, beim naechsten Mal mehr!

Bis dahin - Geduld - und liebe Gruesse!




nutzzz am 05.Jun 11  |  Permalink
systemcheck
hey Papa, alles klar bei dir? Körpersystem noch am laufen? Knochen noch am halten? Ist ja so ruhig in den Kommentaren hier geworden - und seit ein paar Tagen kein Eintrag mehr. Wollte dir nur mitteilen, dass ich (und bestimmt viele andere) weiterhin aufmerksam lese ;-) hatte nur gestern eine Uniprüfung und mich daher kurzzeitig zuhause von der Zivilisation abgeschottet ;) Und da sind wir auch schon bei dir - was für ein Übergang. Du wolltest doch die menschlich doch recht isolierte Strecke gehen ;) Hast du die bereits hinter dir?

ich wette Jakob ist Hund auf dem Foto!

Bis dahin,
Finn

benwisch am 06.Jun 11  |  Permalink
Ja, Knochen halten noch ganz gut
Danke, Knochen und die anderen Sachen halten. Ja, Jakob ist der kleine Hund. Er hat mir den Weg zu einer neuen Herberge gezeigt. Nun werde ich den Bericht ueber die verwunschene, einsame Strecke schreiben. Bis dahin, Papa.